Am 30. April saßen Andrea und Elmar nach der Arbeit in ihren Autos - vollgepackt mit dem Nötigsten, das man bis zum endgültigen Umzug brauchen würde - und fuhren gen Süden. Und voller Ungeduld wartete ich am 2. Mai auf die ersten Bilder und Berichterstattung vor Ort.
Das Ergebnis war - selbst wenn man es ein bisschen aufpoliert - ernüchternd....
Gut, ich bin keine Architektin, aber unter dem Begriff "Rohbau fertig" hatten wir uns alle etwas anderes vorgestellt. Hintergrund war unser Betondach, das, nachdem es gegossen worden war, 28 Tage zum Trocknen benötigt. Wo genau wir uns am 2. Mai in dieser Trocknungsphase befanden, wissen wir noch immer nicht. Aber wenigstens gab es ein nächstes zeitliches Statement - in 3 Monaten sollte das Haus bezugsfertig sein.
Dass es obendrein die Tage davor und auch an den nächsten beiden Tagen kräftig regnete, machte die Sache nicht wirklich einfacher.
Trotzdem blieb das "Gute-Laune-Level" in Sterbeg oben. Abgesehen davon, dass es ohnehin sinnlos gewesen wäre, sich über irgendetwas zu beklagen, stellte sich trotz des zukünftigen Lebens auf der Baustelle das Glücksgefühl ein, einfach nur dort zu sein, (fast) alles aus dem alten Leben zurückgelassen zu haben und sich nun einfach mit dem, was man vorgefunden hatte, so gut als möglich zu arrangieren. Außerdem ist Albanien dank des hin und wieder fallenden Regens im Gegensatz zu den meisten anderen Mittelmeerländern selbst im Hochsommer grün und fruchtbar anstatt gelb und steppig.
Zum Glück hatte uns die Topografie des Geländes ein unerwartetes Geschenk gemacht.
Ursprünglich hätte das Haus auch hinten ebenerdig mit leicht erhöhter Terrasse gebaut werden sollen, aber plötzlich befand sich unter der Terrasse ein knapp über 2 Meter hoher Raum, der in der Zukunft von uns mit was auch immer (Gästezimmer, Sauna, Abstellraum etc.) gefüllt werden darf. Und erstmal bietet er genug Platz für alles, was zwei Gestrandete auf der Oliveninsel brauchen.
Küche, Spülraum, Wohnzimmer, Bibliothek....
Damit kann man auch bei Regen ganz gut leben... ach ja, und das Wichtigste - eine Toilette - gibt es auch. Schließlich hat man keine Lust sich von den Arbeitern, die zwar momentan nicht regelmäßig vorbeikommen, aber doch hin und wieder etwas zu tun haben, auf den Allerwertesten schauen zu lassen, wenn man sich mit Spaten in eindeutiger Mission auf den Weg macht...
Was den Olivenhain angeht, hatte sich die Natur in den nur wenigen Wochen, seit ich Anfang April dort war, eine ordentliche Portion zurückgeholt...
Und da Tosi und Bukuria immer noch darauf bestehen, dass es böse Schlangen gibt - die Hornviper, die von den Albanern auch "stupid snake" genannt wird, weil sie, anders als die schlauen Vertreter ihrer Art, nicht das Weite sucht, wenn Tritte den Erdboden erschüttern, sondern geduldig wartet, bis das Erdbeben entweder vorbeigeht oder sich in Bissweite befindet - wird jetzt, nachdem sich das Regentief endlich verabschiedet hat, gemäht.
Die Nachbarn sagen aber, sie hätten auf ihrem Grundstück noch keine Schlange gesehen, und Andrea und Elmar ist auch noch nichts begegnet, was irgendwie beißen oder stechen kann. Vielleicht wohnen die ja nur in Tosis ängstlichem Gedankenhaus.
Außerdem tut das ganze Mähgeraffel auch der körperlichen Fitness gut und dient dem Boden für unsere zukünftigen Projekte schonmal als Gründüngung.
Hier in Berlin scheint gerade auch die Sonne - es ist Himmelfahrt oder auch Herrentag - und vor mir liegt das letzte lange Wochenende, das mich von den dann finalen acht Schulwochen hier in Deutschland trennt. Normalerweise hätte ich mich für drei oder vier Tage zu einer Fahrradtour auf den Sattel geschwungen. Aber die Merkwürdigkeit der Existenz hat mir etwas anderes beschert...
Meine Katze ist nämlich in Tollwutquarantäne. Glücklicherweise bei mir Zuhause, aber das heißt auch, dass hier gerade keiner außer mir rein zum Füttern darf.
Dass es in Albanien Tollwut gibt und streunende Hunde und Katzen durchaus eine Gefahr darstellen können, war mir bekannt. Daher sind unsere beiden Welpen, die am Samstag in Sterbeg ankommen, auch geimpft. In Deutschland glaubte ich die Tollwut ausgerottet. Ist sie auch, zumindest die, die sich auf dem Boden fortbewegt. Leider nicht bei den "Flattergage"! Neben Corona, haben sie nun auch meinen Stubenarrest zu verantworten, weil Gretchen - als ungeimpfte Dauerstubentigerin - es nicht lassen konnte, die fliegende Maus, die sich in mein Wohnzimmer verirrt hatte, aus der Luft zu angeln...
Angeekelt fischte ich am Samstag etwas aus meinem Hausschuh, das (ohne Brille) wie ein vertrocknetes kleines Blatt mit Stiel oder auch ein Stückchen Katzenkaka mit Grashalm aussah. Merkwürdigerweise hatte es allerdings Fell und wanderte mit einem Igitt in den Mülleimer...
Eine halbe Stunde Dr. Google später, wanderte es dann wieder heraus, wurde in einem Glas im Kühlschrank deponiert und am Montag zum Veterinärsamt gebracht...
Dank dicker Krokodilstränen gelang es mir, dass Gretchen weder sofort in eine Quarantänesammelstelle verbracht wurde, noch eine sofortige Order zum Einschläfern erging. Aber bis zum Obduktionsergebnis darf ich jetzt keinen Besuch empfangen...
Hab ich also Zeit genug das zu tun, was ich vor einigen Monaten bei Andrea noch belächelt habe - das frühzeitige Packen...
Aber dieses Virus hat auch mich seit zwei Wochen erbarmungslos im Griff. Wo immer ich bin, greife ich Pappkartons jeglicher Größe ab. Wann immer ich Zeit habe, durchforste ich meine Schränke nach all dem, was mit soll und was weg kann, und ich führe akribische Listen mit Inhalt und Gewicht für Zoll und Spedition.
Und ja, es ist ein armseliger Ersatz, für das was ich am liebsten täte... auf unserer Baustelle sein, bei Regen oder bei Sonne, mit oder ohne Schlangen und Baumlärm, mit Provisorien und der Aussicht, dass es auch noch drei Monate so bleibt...
Mit der Sonne raus, mit den Sternen ins Bett, den ganzen Tag "trabtrab" auf den Beinen
Und es würde sich gut anfühlen - viel besser als diese Warteschleife, in der ich nun noch bis Ende Juli ausharren muss und an deren Gras ich so gerne ziehen würde, damit die Zeit schneller vergeht ;).
Und jetzt verstehe ich auch den Satz von Andrea vor einigen Wochen: "Wir haben gerade sauviel Arbeit, aber das ist gut so, denn so vergeht die Zeit schneller!"
Ich habe darüber gelacht, aber jetzt weiß ich, das Wochenende ist eine Schnecke, der Schultag ein Wiesel ;)
Comments